Der Hagestolz by Adalbert Stifter
Autor:Adalbert Stifter [Stifter, Adalbert]
Die sprache: eng
Format: epub
Tags: Erzählung
Herausgeber: MOST Publishing
»Es ist der Hund meiner Ziehmutter, Oheim,« sagte Victor, »ich habe ihn nirgends mit genommen, weder gekauft noch ertauscht; sondern am dritten Tage nach meiner Abreise ist er mir nach gekommen. Er muà stark gerannt sein, was er in seinem früheren Leben nicht gewohnt war; er muà auch groÃe Angst ausgestanden haben, wozu er ebenfalls bei der Ziehmutter nie Ursache gehabt hatte - und deÃhalb ist er in den darauf folgenden Tagen so mager geworden, wie er nie gewesen ist, obwohl ich ihm gegeben habe, was er nur immer verlangte. Erlaubt daher, daà ich ihn in eurem Hause bei mir behalte, damit ich ihn der Ziehmutter wieder übergeben kann, sonst müÃte ich sogleich zurük reisen und ihn ihr überbringen.«
»Und da hast du ihn immer so Tag und Nacht bei dir gehabt?«
»Freilich.«
»Daà er dir einmal die Kehle abfriÃt.«
»Das thut er ja nie. Wie fiele ihm denn das ein? Er ist bei meinen Füssen gelegen, wenn ich rastete oder schlief, er hat sein Haupt auf dieselben gelegt, und er würde eher erhungern, ehe er mich verlieÃe oder mir ein Leid thäte.«
»So gib ihm zu essen, und denke auf das Wasser, daà er nicht wüthend wird.«
Das alte Weib hatte, als das Abendmal aus war, nach und nach die Schüsseln, Teller und andere Reste desselben fort getragen; jezt kam auch Christoph, den Victor, seit er mit ihm hieher gekommen war, nicht mehr gesehen hatte.
Der Oheim sagte zu dem hereintretenden Diener: »Sperre ihnen die Stallthür gut zu, daà keiner heraus komme, lasse sie aber vorher auf dem Sande unten ein wenig herum gehen.«
Auf diese Worte erhoben sich die drei Hunde, wie auf ein bekanntes Zeichen. Zwei folgten Christoph von selber, den dritten nahm er bei dem Balge und schleppte ihn hinaus.
»Ich werde dir deine Schlafkammer selber zeigen,« sagte der Oheim zu Victor.
Er ging bei diesen Worten in die Tiefe des Zimmers, wo es bedeutend dunkel war, weil nur ein Licht auf dem Tische brannte. Dort nahm er von einem Gestelle, oder sonst von etwas, das man nicht erkennen konnte, einen Handleuchter, kam wieder hervor, zündete die Kerze des Handleuchters an, und sagte: »Jezt folge mir.«
Victor nahm sein Ränzlein mit dem einen Riemen in den Arm, faÃte seinen Stab, zog den Spiz an der Schnur, und ging hinter dem Oheime her. Dieser führte ihn bei der Thür hinaus in einen Gang, in welchem der Reihe nach uralte Kästen standen, dann rechtwinklig in einen andern, und endlich eben so in einen dritten, der durch ein eisernes Gitter verschlossen war. Der Oheim öffnete das Gitter, führte Victor noch einige Schritte vorwärts, öffnete dann eine Thür und sagte: »Hier sind deine zwei Zimmer.«
Victor trat in zwei Gemächer, wovon das erste gröÃer, das zweite kleiner war.
»Du kannst den Hund in die Nebenkammer einsperren, daà er dir nichts thut,« sagte der Oheim, »und die Fenster verschlieÃe wegen der Nachtluft.«
Mit diesen Worten zündete er die auf dem Tische des ersten Zimmers stehende Kerze an, und ging ohne Weiters fort. Victor hörte, daà er das Gitter des Ganges zusperre, dann verklang der schleifende Tritt der Pantoffeln, und es war die Ruhe der Todten im Hause.
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